Es klingt nach guten Nachrichten: Die Löhne in Deutschland steigen kontinuierlich an. Seit 2007 ist das durchschnittliche Brutto-Monatsgehalt um über 50 Prozent gestiegen. Im Jahr 2023 haben Arbeitnehmer in Deutschland 6 Prozent mehr verdient als im Vorjahr. Rechnet man allerdings die Entwicklung der Verbraucherpreise mit ein, so liegt die Steigerung bei gerade mal noch 0,1 Prozent. Aufgrund der Krisen der vergangenen Jahre war der Reallohnindex seit 2020 durchgängig negativ oder stagnierte lediglich. Das bedeutet, trotz steigender Löhne haben viele Menschen am Ende des Tages weniger von dem verdienten Geld.
Der besonders starke Anstieg des Nominallohnindex im Jahr 2023 hängt unter anderem mit der Einführung des Mindestlohns von 12 € und der Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie zusammen. Es ist also eine besondere Situation, die zu der aktuellen Entwicklung der Löhne geführt hat.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine andere Statistik. Die Gewinne vieler deutscher Unternehmen sind im Vergleich mit anderen Industriestaaten deutlich stärker gestiegen. Die Stückgewinne* haben seit Ende 2019 bis 2024 um 24 Prozent zugelegt, wohingegen die Lohnstückkosten nur um 13 Prozent angewachsen sind. Das ist ein Anzeichen dafür, dass Unternehmen ihre Preise höher gestalten als es eigentlich notwendig wäre. Gleichzeitig bietet dieser Umstand auch Spielraum für die Aushandlung weiterer Lohnerhöhungen.
Wie hängen diese Zahlen nun mit dem Arbeits- und Fachkräftemangel zusammen? Unbestritten ist, dass der demografische Wandel einen starken Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat. Dadurch fehlen beispielsweise in den Pflegeberufen eine Vielzahl an Arbeitskräften.
Doch die Demografie ist eben nicht der einzige Faktor von Bedeutung. Es gibt andere Stellschrauben, mit denen sich der Fachkräftemangel zumindest abmildern lassen kann. Neben der Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland, spielen die Vergütung, sowie die Arbeitsbedingungen eine große Rolle. Doch ein Vergleich von Löhnen und Gehältern aus den Jahren 2017 und 2022 zeigt: Nur in zwei der 15 bedeutendsten Mangelberufe sind die Gehälter nennenswert überdurchschnittlich gestiegen.
Hier kommen wieder die Pflegeberufe ins Spiel. Angetrieben durch die Bedeutung dieser Branche während der Corona Pandemie, sind die Gehälter überdurchschnittlich gestiegen. Das betrifft interessanterweise nur die Altenpflege, die zuvor aber auch deutlich hinter der Krankenpflege zurück lag. Auch die zweite Branche, die eine überdurchschnittliche Steigerung aufweist, hängt eng mit der Pandemie zusammen: Die Gastronomie.
Alle weiteren Fachkräfte-Mangelberufe (wie zum Beispiel viele Berufe im Baugewerbe) haben sich im Bezug auf den Lohn entweder höchstens gleich oder schwächer als der Durchschnitt entwickelt.
Lässt sich da tatsächlich noch von einem Fachkräftemangel sprechen? Oder ist es nicht eher so, dass die Unternehmen teils keinen Gebrauch von den Instrumenten machen, durch die sie qualifizierte Fachkräfte gewinnen könnten?
Auch wenn die Meinungen bei diesem Thema auseinander gehen, so ist zumindest eindeutig, dass durch bessere Löhne und Arbeitsbedingungen größere Anreize für Fachkräfte geschaffen werden. Für eine langfristige Perspektive ist es darum essenziell, diese Debatte weiter zu führen.
* Als Stückgewinn wird die Differenz zwischen Erlös und Kosten pro Einheit bezeichnet, während die Arbeitskosten für eine bestimmte Einheit auch Lohnstückkosten genannt werden.
Quelle: Tagesschau
Quellen:
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