Fachkräftemangel in den Wahlprogrammen

Laut einer Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) benötigt die BRD zukünftig eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Menschen in den Arbeitsmarkt, damit die Beschäftigung in Deutschland auch in den kommenden Jahrzehnten konstant bleibt.

Selbstverständlich sind daneben weitere Maßnahmen notwendig, um die deutsche Wirtschaft auf Kurs zu halten. Investitionen in zukunftsträchtige Branchen gehören ebenso dazu wie eine deutliche Aufwertung der großen Mangelberufe, eine umfassende Bildungsoffensive, um junge Menschen sinnvoll in die Arbeitswelt zu integrieren und der Ausbau von Betreuungsangeboten, damit mehr Frauen sich beteiligen können.

Es ist aber ein Fakt, dass all diese Maßnahmen, selbst wenn sie voll greifen, nicht genügen werden, um den Effekt des demografischen Wandels auszugleichen. Ohne massive Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt geht es nicht.

Kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar werfen wir einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien im Hinblick auf die Themen Fachkräftemangel und Zuwanderung. Wie hoch ist das Problembewusstsein und welche Lösungsansätze werden geboten?

CDU/CSU

In ihrem Wahlprogramm benennt die Union die Herausforderungen sehr klar: „Der Arbeits- und Fachkräftemangel bremst unsere wirtschaftliche Entwicklung.“ Um dem entgegen zu wirken möchte die Partei unter anderem bessere Rahmenbedingungen schaffen für Frauen, die Vollzeit arbeiten möchten, Pflegeberufe attraktiver machen und stärker in Fort- und Weiterbildung investieren.

Für Fachkräfte aus dem Ausland soll eine digitale „Work-and-Stay-Agentur“ eingerichtet werden, die den gesamten Prozess der Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt vereinfachen soll. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen soll vereinfacht und beschleunigt werden.

Der CDU/CSU scheint bewusst zu sein, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland ein entscheidender Faktor ist. In den Ausführungen darüber, wie konkret die Maßnahmen umgesetzt werden sollen, bleibt das Wahlprogramm der Unionsparteien allerdings des Öfteren unklar.

SPD

In manchen Punkten ähnelt das Wahlprogramm der SPD dem der Union, beispielsweise wenn es um die vereinfachte Anerkennung ausländischer Qualifikationen und Abschlüsse geht. Ebenfalls wird großer Wert auf die Relevanz einer guten Ausbildungspolitik gelegt.

Ein verstärkter Fokus liegt auf der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte sowie der Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt. Dazu beitragen sollen Integrationskurse, Deutschsprachförderung und Beratungsangebote. Die SPD bezieht also auch diejenigen mit ein, die aus anderen als beruflichen Gründen nach Deutschland kommen.

Die Partei betont zudem mehrfach, dass faire Löhne ein entscheidendes Mittel sind, um dem Fachkräftemangel in mehreren Bereichen (Gesundheit, Pflege, Erziehung, Ausbildung etc.) zu begegnen. Ebenso sollen befristetet Arbeitsverträge wo möglich reduziert werden, um für Arbeitnehmer längerfristige Perspektiven und Sicherheit zu ermöglichen.

Bündnis 90/ Die Grünen

Das Wahlprogramm der Grünen weist in vielen Fällen Ähnlichkeiten mit dem der SPD auf. Es wird ein starker Schwerpunkt bei der Verbesserung der betrieblichen Ausbildung gelegt. Ebenso ist der Zugang für Frauen zum Arbeitsmarkt ein zentrales Thema. Auch die Grünen verbinden die Fachkräfteeinwanderung mit der vereinfachten Integration Geflüchteter in das System. Hierzu soll zum Beispiel die Visavergabe vereinfacht und komplett digitalisiert werden und eine digitale Einwanderungsagentur eingesetzt werden.

In vielen Bereichen möchte die Partei die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Das betrifft unter anderen den sozialen Bereich, die Ausbildung und die Pflege. Finanzielle Unterstützung, flexible Arbeitszeitmodelle und generell eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollen hier Anreize schaffen.

Die Grünen möchten ebenso dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt eingebunden werden. Auch für ältere Menschen, die über das Rentenalter hinaus arbeiten möchten, soll es finanzielle Anreize geben (auch die CDU/CSU hat hierfür Pläne im Programm).

AfD

Im Wahlprogramm der AfD liegt der Fokus auf dem Potenzial der inländischen Arbeitskräfte beziehungsweise der Zurückgewinnung von abgewanderten Fachkräften. Wenig Information findet sich zu Themen wie Ausbildung junger Menschen oder dem breiteren Zugang für Frauen zum Arbeitsmarkt.

Die Partei steht dem Begriff des „flächendeckenden Fachkräftemangels“ kritisch gegenüber. Das Wahlprogramm macht das anhand des Beispiels von Pflegekräften klar, die aufgrund unattraktiver Arbeitsbedingungen nicht mehr in der Branche arbeiten möchten. Lösung dafür kann nicht sein, hier ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, sondern die Bedingungen zu verbessern. Bei Lösungsvorschlägen bleibt das Wahlprogramm allerdings sehr unkonkret.

Zwar erkennt auch die AfD, dass es in bestimmten Mangelberufen große Lücken gibt (Handwerk, Gesundheitswesen, MINT) doch ist es der Partei besonders wichtig, dass Migration nur maßvoll und nach strengen Kriterien vonstatten geht.

Die Linke

In ihrem Wahlprogramm beschäftigt sich Die Linke zwar auch mit dem Fehlen von Arbeits- und Fachkräften, sieht die Lösung aber besonders in einer Anhebung der Löhne und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Dazu sollen Arbeitnehmer gestärkt werden durch Gewerkschaften, Tarifverträge und gute Arbeitszeitmodelle.

Einen weiteren Schwerpunkt sieht die Partei bei der Ausbildung junger Menschen. Betriebe, die nicht selbst ausbilden, sollen eine solidarische Ausbildungsumlage zahlen, um andere Ausbildungsbetriebe zu unterstützen. Außerdem soll jede Ausbildung kostenfrei sein und eine unbefristete Übernahme garantieren.

Im Bezug auf Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt bleibt das Programm der Linken sehr unkonkret. Es soll eine gerechte Einwanderungsgesellschaft geschaffen werden, die volle Teilhabe garantiert. Beispielhaft genannt sei hier eine bessere Anerkennung und Qualifizierung zugewanderter Lehrkräfte.

FDP

Der Fachkräftemangel spielt im Wahlprogramm der FDP vordergründig keine besonders große Rolle, wobei sie ihn aber auch nicht gänzlich verneint. Als Maßnahmen schlägt die Partei beispielsweise eine Modernisierung bei der Ausbildung pädagogischer Berufe vor. Diese soll schulgeldfrei und angemessen vergütet sein.

Die FDP formuliert sehr klar, dass es mehr Einwanderung in den Arbeitsmarkt braucht. Allerdings betont sie dabei auch besonders, dass dies keine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme sein darf. Für besonders qualifizierte Fachkräfte soll es leichter werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ein Vorschlag ist hier auch, nur eine staatliche Stelle zu haben, über die Arbeitsmigration geregelt wird.

Im Pflegebereich möchten die Liberalen Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegekräfte drastisch vereinfach und damit einem drohenden Pflegenotstand etwas entgegensetzen.

BSW

Das BSW sieht die Lösung für einen Fachkräftemangel hauptsächlich in der Ausbildung und Qualifizierung junger Menschen in Deutschland. Die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte sieht die Partei skeptisch.

Eine umfassende Erneuerung der Bildungspolitik und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Bildungseinrichtungen sind laut BSW geboten. Das Wahlprogramm bietet wenig konkrete Lösungsansätze.

 

Der Blick in die diversen Wahlprogramme ist stark verkürzt und liefert kein umfassendes Bild. Er bietet aber zumindest ein Gefühl dafür, wie ausgeprägt das Problembewusstsein für den Fach- und Arbeitskräftemangel bei den deutschen Parteien ist. Es lassen sich teils deutliche Unterschiede ausmachen und dementsprechend fallen auch die Lösungsansätze sehr verschieden aus.

Quellen:
Fotos Bundestag