Quiet Cracking Coffee Mug

Online Marketing | Vom 27.11.2025

Quiet Cracking – Die stille Entfremdung

Über die Hälfte aller Beschäftigten empfindet zumindest gelegentlich Unzufriedenheit im Job. Das Phänomen reiht sich in die stillen Arbeitstrends der letzten Jahre ein und birgt ein großes Risiko für Unternehmen und Wirtschaft.

Über die Hälfte aller Beschäftigten empfindet zumindest gelegentlich Unzufriedenheit im Job. Problematisch wird es, wenn dieses Gefühl nicht nur phasenweise auftritt, sondern sich tief im Arbeitsalltag verankert. Dann beginnt ein schleichender Prozess: Die Motivation sinkt, die Bindung an den Arbeitsplatz bröckelt, die Freude an der Arbeit verschwindet. Am Ende steht nicht selten eine Entfremdung vom eigenen Job – mit Folgen für die Mitarbeitenden, die Unternehmen und letztlich für die gesamte Volkswirtschaft.

Dieses Phänomen wird als Quiet Cracking bezeichnet. Es reiht sich ein in die stillen Arbeitstrends der letzten Jahre – von „Quiet Quitting“ über „Quiet Firing“ bis hin zum Job, der leise von innen heraus zerbricht. Der Begriff wurde geprägt durch eine Untersuchung der Lernplattform TalentLMS, die 1.000 US-Arbeitnehmer zu ihrem Empfinden im Job befragt hat.

Was Quiet Cracking eigentlich beschreibt

Quiet Cracking meint: Menschen bleiben äußerlich im Job, aber innerlich zerbrechen sie langsam daran. Leistung und Engagement sinken – nicht abrupt, sondern in kleinen, kaum messbaren Schritten. Eine stille Resignation.

Laut der TalentLMS-Studie sind wirtschaftliche Unsicherheit, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten und schlechte Führung zentrale Treiber dieses Prozesses. 20 Prozent der Befragten erleben diesen Zustand häufig oder ständig – ein alarmierender Wert.

Ist das auf Deutschland übertragbar?

Nicht eins zu eins. Die strukturellen Unterschiede sind erheblich: In Deutschland gelten ein starker Kündigungsschutz, Tarifbindungen und ein Sozialstaat, der Arbeitslosigkeit abfedert. Doch diese Schutzmechanismen geraten zunehmend unter Druck.

Trotz fehlender deutscher Vergleichsstudien gibt es deutliche Hinweise auf eine ähnliche Entwicklung. Besonders jüngere Beschäftigte zeigen eine wachsende Entfremdung. Eine EY-Befragung aus dem Juli 2025 kommt zu dem Ergebnis, dass sich nur noch 33 Prozent der jungen Arbeitnehmer als glücklich mit ihrer Arbeit bezeichnen – ein Rückgang um 21 Prozent gegenüber 2023. Zwar misst diese Zahl nicht direkt Quiet Cracking, aber sie zeigt: Das psychologische Klima kippt.

Hinzu kommen mediale Berichte über stille Resignation und zunehmende Jobenttäuschung, die darauf hindeuten, dass der Trend auch in Deutschland an Fahrt aufnimmt.

Arbeitsmarkt im Wandel: Warum Quiet Cracking hierzulande zunimmt

Deutschland steckt mitten in einer wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Umbruchphase:

  • Stellenabbau in Schlüsselbranchen wie Automobilzulieferung, Maschinenbau oder Chemie.
  • Digitalisierung und Transformation, die Berufsbilder massiv verändern.
  • Steigende Insolvenzen vieler kleiner und mittlerer Unternehmen.
  • Reformen beim Bürgergeld, die stärker auf Aktivierung und Sanktionen setzen.
  • Gleichzeitiger Fachkräftemangel, der paradoxerweise Unsicherheit eher verstärkt, weil er die Anforderungen erhöht.

Diese widersprüchliche Lage – Fachkräftemangel auf dem Papier, Zukunftsangst in den Betrieben – ist ein idealer Nährboden für Quiet Cracking.

Wenn Menschen spüren, dass Arbeitslosigkeit politisch härter sanktioniert wird, soziale Leistungen unsicher erscheinen oder ein Branchenwechsel riskant wäre, bleiben sie eher im bestehenden Job – auch wenn er ihnen schadet.

Dafür gibt es einen Namen: Job Hugging.

Job Hugging – der stille Verstärker

Job Hugging beschreibt das Gegenteil von Job-Hopping: Man hält am Arbeitsplatz fest, nicht aus Begeisterung, sondern aus Angst. Und genau hier treffen sich beide Phänomene:

Wer aus Unsicherheit am Arbeitsplatz festhält, obwohl er unzufrieden ist, rutscht besonders leicht in das Quiet Cracking hinein.

Die innere Kündigung wird zur Überlebensstrategie, nicht zur aktiven Entscheidung. Quiet Cracking ist kein Modetrend. Es ist eine psychologische Belastung:

  • Dauerstress und Erschöpfung durch das Ausharren in einem belastenden Umfeld
  • Gefühl von Kontrollverlust, weil man sich gefangen fühlt
  • Schleichende Selbstzweifel, da die eigene Leistungsfähigkeit sinkt
  • Verlust von beruflicher Identität und Sinn

Dieses stille Zerbrechen bleibt lange unsichtbar. Oft zeigen sich die Folgen erst in Krankmeldungen, Burn-out-Diagnosen oder plötzlichen, spät getroffenen Kündigungen.

Die gesellschaftlichen Folgen: Ein leises, aber teures Problem

Quiet Cracking ist kein individuelles Problem – es wird schnell ein strukturelles:

  • Produktivität sinkt, Innovationskraft nimmt ab.
  • Teamkultur leidet, weil stille Unzufriedenheit ansteckend ist.
  • Fachkräfteengpässe verschärfen sich, wenn motivierte Mitarbeitende ausbrennen.
  • Gesundheitskosten steigen, genauso wie krankheitsbedingte Ausfälle.
  • Gesellschaftliche Resignation wächst, wenn Arbeit als Belastung statt als Chance wahrgenommen wird.

Kurz: Wenn viele Menschen im Stillen zerbrechen, bricht auch die Leistungsfähigkeit eines Landes leise mit.

Was jetzt zu tun wäre

Damit Quiet Cracking nicht zum neuen Normal wird, braucht es ein gemeinsames Gegensteuern. Unternehmen müssen eine Arbeitskultur schaffen, in der psychologische Sicherheit wichtiger ist als Druck, in der Führungskräfte zuhören, klar kommunizieren und Weiterbildung nicht als Luxus, sondern als strategische Notwendigkeit begreifen.

Auch die Politik steht in der Verantwortung: Sie muss eine Arbeitsmarktpolitik gestalten, die Menschen nicht primär sanktioniert, sondern qualifiziert, die Transformationsbranchen Stabilität gibt und psychische Gesundheit stärker in den Fokus rückt.

Und nicht zuletzt sind auch Arbeitnehmer selbst gefragt. Sie sollten Warnsignale ernst nehmen, das Gespräch mit Führung und Team suchen, eigene Entwicklung aktiv verfolgen und — trotz aller Unsicherheit — den Mut behalten, sich neu zu orientieren, wenn der aktuelle Job dauerhaft belastet.


Quiet Cracking ist mehr als ein Modewort aus den USA. Es beschreibt einen realen Zustand, der auch in Deutschland spürbar wird – befeuert von wirtschaftlicher Unsicherheit, politischem Druck und einer Arbeitswelt im radikalen Wandel. Je mehr Menschen im Job bleiben müssen statt bleiben wollen, desto größer wird das Risiko, dass sie im Stillen zerbrechen. Und damit nicht nur sie selbst, sondern auch die Betriebe und die Gesellschaft ein Stück weit mit.

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