Eine aktuelle Studie zum sogenannten Job-Turbo weist die Maßnahmen als sehr erfolgreich aus und ermöglicht damit neue Erkenntnisse, wie die Integration von Geflüchteten Personen in den Arbeitsmarkt gelingen kann. Trotz dieser positiven Bewertung droht ein Erfolg ohne nachhaltige Wirkung.
 
Der Job-Turbo ist ein Programm, das von der damaligen Ampelkoalition im Jahr 2023 ins Leben gerufen wurde. Das ausgerufene Ziel des Programms: Geflüchtete Menschen möglichst schnell und effektiv in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren. Um das zu ermöglichen, werden unterschiedliche Angebote wie Sprachkurse, Coaching, Weiterbildungen und finanzielle Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Dafür arbeiten verschiedene Akteure wie Jobcenter, Agenturen für Arbeit, Kommunen und Unternehmen zusammen, um das Programm umzusetzen.
Die Studie im Überblick
Die Studie des Immigration Policy Lab (IPL) aus Oktober 2025 zeigt nun den scheinbaren Erfolg des Job-Turbos. Laut Auswertung kam es zu rund 102.000 zusätzliche Arbeitsaufnahmen seit Start des Programms. Ein Großteil davon durch Geflüchtete aus der Ukraine. Ebenfalls positiv fällt auf, dass die Beschäftigungen überwiegend sozialversicherungspflichtig waren und es nicht zu einer Verdrängung in prekäre Beschäftigungsverhältnisse führte.
Noch unklar dabei ist, wie nachhaltig diese Effekte sein können. Doch die Ergebnisse machen Hoffnung und bieten wichtige Ansätze für weiterführende Maßnahmen. Auch Schwachstellen im System benennt die Studie. Dazu zählen unter anderem die mangelnde Kinderbetreuung oder Schwierigkeiten bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen.
Erfolgsfaktoren des Programms
Laut der Studie des IPL hat die Verzahnung unterschiedlicher Maßnahmen den Erfolg des Job-Turbos begünstigt. Eine hohe Kontaktdichte zwischen Jobcenter und Teilnehmenden, also regelmäßige Einladungen und Beratungstermine. Die Unternehmen wurden außerdem dazu angehalten, sich aktiv in den Prozess einzubringen, Teilnehmende berufsbegleitend weiter zu qualifizieren und auch Personen mit einem eher niedrigeren Sprachniveau (A2/B1) anzustellen.
Die Sprachqualifikation ist selbstverständlich ein essenzieller Bestandteil von Integration. Darum wurden gezielt berufsbegleitende Sprachfördermaßnahmen angeboten. Besonders erfolgreich war das Modell laut Studie bei Personen mit bereits vorhandenem A2-Sprachniveau – hier konnten viele direkt in Arbeit vermittelt werden und die weitere Sprachentwicklung am Arbeitsplatz fortsetzen. Des Weiteren setzte das Programm auf ein branchenspezifisches Matching von Arbeitgebern, Bildungs‑ und Wirtschaftsakteuren.
Herausforderungen und Stolpersteine
Mit der Kombination dieser Maßnahmen wurde der Job-Turbo zu einem Erfolg – jedoch mit Einschränkungen in einigen Bereichen. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer deutlich erfolgreicher integriert werden konnten als Frauen. Ein entscheidender Grund dafür ist die deutlich höhere Haushalts- und Betreuungsbelastung bei Frauen. Wenn viel Pflege- und Carearbeit geleistet werden muss und es gleichzeitig an passenden Unterstützungsangeboten mangelt, ist die logische Konsequenz daraus, dass geflüchtete Frauen es schwieriger haben, einen Zugang in den Arbeitsmarkt zu finden. Dieser Umstand gilt für Frauen in Deutschland generell, verschärft sich aber bei Geflüchteten nochmals, da sie in der Regel kein soziales Netzwerk haben, das solche Effekte ausgleichen könnte. Aus demselben Grund ergibt sich ein Hindernis für Frauen, an Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen etc. teilzunehmen.
 
Für Frauen und Männer gleichermaßen ein Problem, stellt die Anerkennung (bzw. Nicht-Anerkennung) von im Ausland erworbenen Qualifikationen dar. Das ist auch besonders da ein Hindernis, wo gut ausgebildete Fachkräfte den Arbeitsmarkt bereichern könnten, aber durch das träge System daran gehindert werden.
Für manche Unternehmen ist die mangelnde Rechtssicherheit bei der Beschäftigung Geflüchteter eine große Herausforderung, was ebenfalls dazu führt, dass weniger Geflüchtete eingestellt werden. In allen genannten Punkten steht die Politik in der Pflicht, möglichst gute Rahmenbedingungen zu schaffen, sei es durch den Ausbau von Betreuungsangeboten, einen unbürokratischen Umgang mit ausländischen Abschlüssen oder Aufklärungsarbeit im Bezug auf die Rechtssicherheit.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Die Studie zum Job‑Turbo belegt eindrucksvoll, dass gezielte Maßnahmen die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt erheblich beschleunigen können. Um auf Unternehmensseite dieses Potenzial voll auszuschöpfen, gilt es, einige Empfehlungen zu beachten.
Offene Einstellungskultur & flexible Einstiegskriterien etablieren
Viele Geflüchtete verfügen (noch) nicht über perfekte Deutschkenntnisse oder formale Anerkennungen ihrer beruflichen Qualifikationen – aber über ein hohes Maß an Motivation und Potenzial. Unternehmen sollten daher ihre Anforderungen hinterfragen und entsprechend anpassen. Der Einstieg mit einfachem Sprachniveau kann funktionieren, wenn er durch begleitende Qualifizierungsangebote flankiert wird.
Kooperation mit öffentlichen Akteuren & Netzwerken aufbauen
Ein zentrales Erfolgsmerkmal des Job‑Turbo war die enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern, Jobcentern, Sprachkursträgern, Bildungsanbietern und Integrationsnetzwerken. Für Unternehmen ist es daher sinnvoll, sich mit den entsprechenden Stellen zu vernetzen und den Austausch zu suchen mit der Bundesagentur für Arbeit, dem regionalen Jobcenter oder Plattformen wie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP).
Qualifizierungs‑ und Entwicklungsangebote fest im Unternehmen verankern
Wer Geflüchtete langfristig integrieren will, muss mehr bieten als einen Arbeitsvertrag. Entscheidend ist, dass Sprach‑ und Fachkenntnisse weiterentwickelt werden können – idealerweise berufsbegleitend. Unternehmen, die auf begleitende Schulungen, Integrationscoachings oder Mentoring setzen, schaffen nicht nur mehr Sicherheit für sich selbst, sondern erhöhen auch die Bleibeperspektive. Entwicklungspläne, die individuell auf die Bedarfe der neuen Mitarbeitenden abgestimmt sind, können hier ein wirksames Instrument sein.
Interne Prozesse und Onboarding gezielt gestalten
Ein strukturiertes Onboarding ist für alle neuen Mitarbeitenden wichtig – bei Geflüchteten jedoch noch einmal besonders. Klare Informationen zu Aufgaben, Erwartungen und Entwicklungsmöglichkeiten geben Orientierung. Mentoringprogramme oder Patenschaften erleichtern den Einstieg und sorgen für schnellere Integration ins Team.
Der Erfolg ohne Folgen
Die aktuelle politische Lage gefährdet die positiven Entwicklungen, die sich aus dem Job-Turbo ergeben haben. Aus finanziellen Gründen plant die Bundesregierung ukrainische Geflüchtete künftig nicht mehr im Bürgergeld-System zu belassen, sondern sie auf das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) umzustellen. Das hätte weitreichende Folgen: Weniger finanzielle Unterstützung, weniger Zugang zu Sprachkursen und Qualifizierungen und ein erschwerter Zugang zur Arbeitsvermittlung. Ebenfalls erhöht sich dadurch die Gefahr von mehr informellen Beschäftigungsverhältnissen (z.B. Schwarzarbeit). Der bislang erzielte Integrationsfortschritt würde so nicht nur gebremst, sondern in Teilen wieder rückgängig gemacht – mit Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.
Der Job‑Turbo ist ein Beispiel für wirkungsgesteuerte Integration. Unternehmen können anhand dieser Erkenntnisse wichtige Handlungsempfehlungen für die eigene Praxis ableiten, auch unabhängig davon, inwieweit sie dabei auf staatliche Unterstützung zählen können.
 
 

 
 
 
 
 
 
 
