Die Corona-Pandemie hat in vielen Lebensbereichen tiefgreifende Einschnitte und Veränderungen mit sich gebracht. In der Arbeitswelt hat sie entscheidend dazu beigetragen, die Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitsmodellen, sowohl zeitlich als auch räumlich, zu beschleunigen. Aus der Not heraus war es plötzlich für eine Vielzahl von Menschen möglich, von zu Hause aus zu arbeiten und sich die Arbeitszeit teilweise auch freier einteilen zu können. Diese rasante Entwicklung wird häufig in Verbindung mit dem Begriff „New Work“ oder auch „Arbeit 4.0“ gebracht.
Die Transformationsprozesse, die wir beobachten konnten, liegen hauptsächlich in der Weiterentwicklung der technischen Infrastruktur. Die äußeren Rahmenbedingungen wurden dermaßen angepasst, dass da wo möglich, die Arbeit ebenso gut remote stattfinden konnte. Das ist zunächst einmal eine willkommene und wünschenswerte Entwicklung. Sie sagt aber noch nichts darüber aus, inwiefern sich auch die Arbeitskultur weiterentwickelt hat. Hinter dem wieder in Mode gekommenen „New Work“ steckt nämlich deutlich mehr als Homeoffice und flexible Zeiteinteilung.
Schon in den 1970er Jahren prägt Frithjof Bergmann den Begriff „New Work“. Zu dieser Zeit sieht die Arbeitswelt noch ganz anders aus als 50 Jahre später. Doch die Prinzipien seiner Ideen sind nicht an einen historischen Kontext gebunden. Im Zentrum steht das arbeitende Individuum als Mensch, der sich darüber bewusst ist, was er wirklich, wirklich will. Diese Formulierung findet man oft, wenn von Bergmann die Rede ist und sie beinhaltet ein Problem, das später noch eine Rolle spielen wird.
Eine neue Arbeit braucht eine neue Kultur – auf diese Aussage könnte man den Ansatz Bergmanns herunterbrechen. Eine solche Kultur erfordert ein gesellschaftliches Umdenken, einen Wandel der Vorstellung davon, was Arbeit bedeutet. Die Sinnhaftigkeit gewinnt eine immer stärkere Bedeutung. Getragen werden muss dieser Wandel aber ebenso von allen Individuen, die er betrifft. In Teilen lässt sich hier dann auch eine Parallele ziehen zu aktuellen Strömungen unserer Gesellschaft. Viele, besonders junge, Menschen legen immer größeren Wert darauf, mit ihrer Lohnarbeit auch einen Sinn zu verbinden. Die Frage scheint deshalb eher zu sein, ob Unternehmen und Organisationen, die noch immer in gewachsenen Strukturen verhaftet sind, die Bereitschaft zeigen, den kulturellen Wandel mit voranzubringen?
Eine Gefahr besteht darin, dass die neue Arbeitswelt nicht zum Vorteil der Arbeitnehmer gestaltet wird, sondern durch ständige Erreichbarkeit und gesteigerte Effizienz lediglich den Unternehmen zugutekommt. Das wäre eine deutliche Diskrepanz zur ursprünglichen Idee Frithjof Bergmanns, der in New Work einen Weg zur Selbstbestimmtheit, Selbstverwirklichung und Teilhabe der arbeitenden Menschen gesehen hat. Eine Arbeit, die sich sinnhaft in das Leben der Menschen integrieren lässt und ihnen genügend Freiraum lässt, sich individuell zu entfalten. Ein derartiger Kulturwandel setzt unter anderem voraus, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden vertrauen und sie fördern. Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in diese Richtung. Ebenso wichtig sind aber auch wertebasierte Faktoren wie das angesprochene Vertrauen, Empathie, ehrliche Wertschätzung und offene Fehlerkultur.
New Work hat Einfluss auf alle Bereiche der Arbeit. Es führt weg von der sogenannten Work-Life-Balance hin zum Work-Life-Blending. Die Arbeit wird nicht mehr als abgekoppelt vom restlichen Leben betrachtet, sondern flexibel und selbstbestimmt in das Leben integriert. Büros sind nicht länger einfach Orte, an denen man die Arbeitszeit „absitzt“. Sie werden zu Begegnungsstätten, um sich unter Kollegen auszutauschen, neue Impulse zu geben und innovativ zu arbeiten. Wer einen Tapetenwechsel braucht, der kann eine „Workation“ machen, also von einem ganz anderen (Urlaubs-)Ort aus arbeiten.
Wer neue Arbeit möchte, muss formulieren können, was er wirklich, wirklich will. Erst durch ein gewisses Maß an Selbstreflektion und einem eigenen Antrieb lässt sich die Idee in Gänze umsetzen. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn die Verantwortung dafür liegt logischerweise erst einmal bei jedem Einzelnen. Ganz abgesehen davon, dass es aktuell zum großen Teil Verhandlungssache ist, inwiefern der Arbeitgeber bereit ist, gewisse Freiräume zu bieten. In einem größeren Rahmen betrachtet ist es deshalb wünschenswert, wenn solche Freiräume überall angeboten werden, wo es möglich ist und Sinn ergibt. Das schafft die Basis für ein Umdenken in allen Bereichen.
Schon heute sieht man positive Effekte in Bereichen, in denen New-Work-Modelle sinnvoll umgesetzt werden. Die Mitarbeiter identifizieren sich stärker mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber und sind so zum Teil produktiver, ausgeglichener, weniger (psychisch) belastet und bringen sich innovativ ein. Wenn es gelingt, sowohl die technischen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, als auch einen transformativen kulturellen Wandel auf allen Ebenen zu vollziehen, kann New Work einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigem Erfolg und Zufriedenheit leisten.
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